Die
Frage ist so alt, wie das Pfeife rauchen selbst. Wie feucht oder
trocken muss ein Tabak sein, damit er optimal zu rauchen ist und das
Maximum an Geschmack entwickelt? Generell gilt die "Druckprobe"
als Anhaltspunkt. Eine Menge von der Größe einer Walnuss wird
zwischen Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger genommen, zusammen
gedrückt und wieder los gelassen. Bröselt der Tabak, ist er (wie
überraschend!) zu trocken, klebt er zusammen, ist er zu feucht...
und federt er elastisch in die Ursprungsform zurück, hat er die
richtige Konditionierung. So weit, so falsch... oder sagen wir
besser: als grober Anhaltspunkt vielleicht brauchbar - mehr aber auch
nicht.
Zum
Ersten gilt es, zwischen Hocharomaten, weniger aromatisierten und
eher naturnahen Tabaken zu unterscheiden, dann gibt es ja auch noch
die speziellen Zubereitungsarten, wie Flake, Curlys, Plugs und Co,
und zuletzt spielen auch persönliche Vorlieben und Rauchgewohnheiten
eine wichtige Rolle... aber, der Reihe nach.
Hocharomatisierte
Tabake sind auf eine gewisse Feuchtigkeit angewiesen. Ihr Blattgut
ist mit Aromen angereichert, die man ja schlecht in Pulverform
einbringen kann. Beim Genuss dieser Kräuter ist der entstehende
Wasserdampf ja der Transporteur für den Geschmack - ohne
Feuchtigkeit sähe es also schlecht aus. Nachteil: Je heftiger und
heißer diese Tabake verraucht werden, desto schneller bildet sich
ZUVIEL Feuchtigkeit auf einmal, die dann gern zum gehassten Sottern
führt, zum Blubbern der Pfeife, weil sich Nässe vor dem Zugloch
sammelt und dort fröhlich vor sich hin schnorchelt. Zudem besteht
auch die Gefahr, den Tabak durch zu häufiges und/oder heftiges
Nachstopfen zu stark zu verdichten. Der Tabak klebt und klumpt durch
die hohe Feuchtigkeit zusammen und verstopft den Zug.
Nun
darf man Hocharomaten getrost als "Frischeartikel"
betrachten. Ein Fachmann vertritt sogar die These, dass diese
Tabakart am besten zwischen der 16.und 20. Woche nach Produktion
verraucht werden sollte, um den optimalen Geschmack zu erzielen.
Toll!... und woher soll ich das wissen, wenn kein Produktionsdatum
auf der Verpackung steht? Na ja, man kann auch hier alles
übertreiben. Lässt man sich diese Behauptung aber mal durch den
Kopf gehen, kommt man zu dem (logischen?) Schluss, dass man
Hocharomaten bei Herstellern kaufen sollte, die häufiger kleine
Mengen frisch ansetzen... und am besten auch noch selbst vertreiben.
Gerade bei Hocharomaten aus dem Pouch-Päckchen weiß man ja nie, wie
alt sie im Regal des Händlers schon geworden sind und ob die Reserve
vielleicht in der Nähe der Heizung gelagert wurde.
Betrachtet
man also die vielen Faktoren, die über Sieg oder Untergang eines
gelobten Aromaten entscheiden, wird ein Punkt augenscheinlich. Die
Behauptung, dass a) Aromaten von wirklichen "Experten"
nicht ernst genommen werden, weil sie "Anfängertabake"
seien und b) Aromaten die idealen Beginnertabake seien, weil man da
"nichts falsch machen" könne, ist reiner Schwachsinn!
Zum
Punkt: Der wirklich erfahrene Raucher, der es schafft, seine Pfeifen
kühl zu rauchen, der am Zug genau merkt, ob der Tabak zu sehr zu
verdichten droht, der kann den Aromaten auch direkt aus der frisch
geöffneten Verpackung genießen. Wer aber nicht so erfahren ist,
sollte die Tabake schon etwas genauer begutachten, auch ruhig einmal
die Druckprobe wagen. Klebt es allzu sehr, sollte man dem Tabak einen
Aufenthalt an der Luft spendieren.
Fein
auseinander gefasert kann er so das Übermaß an Nässe abgeben. Doch
diese Maßnahme sollte sorgfältig überwacht werden. Schnell wird so
ein Tabak auch zu trocken, wenn er über mehrere Stunden im Freien
liegt... und was weg ist, ist auch an Aromen weg.
Einen
Aromaten durch feuchte Steine oder ähnliche Tricks zu
rekonditionieren, klappt nicht. Die Aromen kommen nicht wieder. Im
Zweifelsfall zwischendurch mal ein kleines Probepfeichen stopfen und
testen, wie man mit dem augenblicklichen Feuchtigkeitsgrad zurecht
kommt. Ist das persönliche Optimum erreicht, gehört der Tabak in
eine dicht schließende Frischhaltedose. Gibt man ihn zurück ins
Pouch, wo weiterhin Feuchtigkeit unkontrolliert entweichen kann, war
Mühe und Arbeit umsonst. Anders sieht es bei Tabak-Runddosen mit
Deckeldichtung aus... hier hält das Kraut seinen, jetzt erreichten
Grad auch über längere Zeit.
Nicht
ganz so komplex gerät die Geschichte mit den aromatisierten Tabaken
"vom alten Schlag". Gut, auch hier ist Austrocknung zu
vermeiden, die Kräuter sind aber robuster. Während moderne Aromaten
viel transportierenden Black Cavendish enthalten (der halt recht
empfindlich reagiert) sind es bei traditionellen Aromaten eher die
schaumigen Burleys, die die deutlich geringere Menge an Aromen
beinhalten. Ein "Caledonian" oder ein "Sweet Dublin"
profitiert durchaus von einer leichten Nachtrocknung. Die enthaltenen
Tabakaromen werden prägnanter, ohne, dass sich der Charakter der
Mischung wesentlich verändert. Sie wird nicht stärker oder
harscher, sondern wirkt gehaltvoller, noch etwas runder. Zudem glimmt
sie noch problemloser und ruhiger und ermöglicht so ein sehr
sanftes, kühles Rauchen... und das ist IMMER ein Garant für
optimalen Genuss.
Ganz
ähnlich verhält sich die Sache bei Tabaken, die kein oder nur
minimales Aroma beinhalten. Oft kann man sie auch im frisch
geöffneten Zustand schon gut rauchen. Viele Mixtures oder Ready
Rubbeds legen aber noch einmal zu, wenn man den "klammen Griff"
aus ihnen heraus lüftet. Zwei sehr schöne Beispiele hier: der
„No.1“ von Behrend und der "Indaba" von Hans Wiedemann.
Breitet man diese Tabake nach dem Öffnen für ein paar Stunden an
der Luft aus, werden sie noch geschmacksintensiver, tiefer und
runder. Der „Indaba“ lässt seine Komplexität noch detaillierter
erkennen. Das mögen eher kleine Unterschiede sein, doch es geht uns
ja um den perfekten Genuss... und da sind auch Kleinigkeiten
entscheidend.
Vorsicht
ist bei Flakes geboten. Einmal, weil sie in so extrem
unterschiedlichen Konditionen zum Raucher kommen. Manche Samuel
Gawith Flakes sind so nass, dass ein halbwegs vernünftiger Genuss
gar nicht möglich ist, andere Flakes kommen nahezu rauchfertig aus
der Dose. Die Dose... sie kann schnell zum Problem werden. Die
traditionellen, flachen und rechteckigen Dosen sind keinesfalls zur
dauerhaften Lagerung der Tabake geeignet. Oftmals verzieht sich der
dünne Blechdeckel bereits beim ersten Öffnen minimal. Das reicht,
um ständig und unkontrolliert Luft an den Tabak zu bringen... und
das führt in recht kurzer Zeit zu bröseligem Stroh, statt zu gut
konditioniertem Flake.
Generell
sollte der Flake so lange gelüftet werden, bis sich die Fasern noch
geschmeidig und weich biegen lassen, sich aber nicht mehr feucht
anfühlen. Neben bestem Geschmack erreicht man in diesem Zustand auch
die optimale Glimmfähigkeit, die auch und gerade Einsteigern ins
Thema Umgang mit Flakes, Coins und Curlys wesentlich erleichtern.
Minimaler
Schutz des dann erreichten Optimums: Die Dose samt Inhalt gehört in
eine verschließbare Plastiktüte. Es gibt da diese feinen Teile, die
man auch für Kosmetika bei Flugreisen benutzt. Alternativ kann man
zwischen Dose und Deckel ein Stück Frischhaltefolie geben und den
Druck des Deckel durch ein umgespanntes Gummi erhöhen. Ideal ist
aber, ihn in eine kleine Frischhaltedose umzupacken. Für mich heißt
in diesem Fall das Zauberwort "Lock-Lock".... einfach mal
googlen.
Den
meisten Spielraum für die "perfekte persönliche Feuchte"
lassen wohl Ropes und Plugs. Manche schwören darauf, diese Tabake im
frisch geöffneten, noch geschmeidigen Zustand zu verrauchen. Ich
sehe das aus Erfahrung etwas anders. Ich liebe die "Luft- und
Zeit-Methode". Die Tabake werden geöffnet, mehrere Stunden
gelüftet und kommen dann in eine Frischhaltedose. So werden sie,
möglichst bei Zimmertemperatur und dunkel für mehrere Monate(!)
eingelagert. Nichts für Ungeduldige? Stimmt, aber das Ergebnis
belohnt die lange Warterei. Beispiele hier: Der „Curly-Strang“
von Peter Heinrichs und besonders der „Epikur“ von Huber/München.
War ich über die Eindimensionalität dieser Tabake im frischen
Zustand regelrecht erschrocken, sind sie jetzt, nach etwa 8 Monaten
Einlagerung, zu Aromariesen gereift, die wahrhaft königlichen Genuss
bieten!
Wie
stark man diese Tabake nachtrocknet, ist ebenfalls persönliche
Geschmackssache. Je trockener sie werden, desto stärker und
intensiver sind sie auch. Wer ein Stück seines Lieblingsplugs
einfach mal so an der Luft liegen lässt, wird sich nach zwei-drei
Wochen wundern. Einmal darüber, dass der Tabak immer noch genießbar
ist und keinesfalls zu Staub zerbröselt... und zum Zweiten, welchen
"Bums" sein Lieblingswürfel durch den Wasserentzug
entwickelt. Das wird aber dann auch gern mal zu viel des Guten.
Manchem
Leser werden die vielen Worte und das Brimborium um dieses Thema
unnötig erscheinen. Es geht wohl darum, ob man im Tabak ein reines
Konsummittel sieht oder ein Genussmittel, das Respekt, Hege und
Pflege mit entsprechenden Erlebnissen belohnt. Wein, Käse, Whisky,
Bier, Schinken... die Liste der Genüsse, die gepflegt werden wollen,
ist endlos. Dazu gehört für den engagierten Liebhaber auch der
Tabak. Schliesslich wollen wir das Beste aus unseren Kräutern hervor
holen... und damit erweisen wir auch den Könnern unseren Respekt,
die in mühevoller Kleinarbeit Rohtabake auswählen, Mischungen
zusammen stellen und sorgsam fertigen. Mag man uns von außen für
seltsame Käuze halten. Die Liebe zum Tabak, die
Experimentierfreudigkeit und der Spaß am gelungenen Genuss gehören
untrennbar zur Leidenschaft Pfeife.
Sorgfalt
und Aufmerksamkeit gehören aber bei der Suche nach dem als ideal
empfundenen Feuchtigkeitsgrad dazu. Wer erst irgendwelche Tontaler
mit Wasser tränken muss, um seinen Kräutern wieder auf die Sprünge
helfen zu können, hat etwas grundlegend falsch gemacht. Wem ein paar
Euro für die optimale Unterbringung seiner Tabake schon zu viel
sind, der hat die zum Teil meisterlichen Mischungen nicht verdient.
So oft dreht sich das Thema um die Pfeife, wir machen um Lagerung,
Handhabung und Pflege viel Theater. Doch, was ist die schönste
Pfeife ohne einen Tabak im perfekten Zustand, den man daraus genießt?
Die individuell empfundene, richtige Feuchtigkeit hat einen enormen
Einfluss auf eben diesen Genuss. Grund genug, für sich selbst ein
wenig zu experimentieren... und Spaß macht es auch noch. Was will
man mehr?
Ihr
Ralligruftie
Autor:
Ralf Dings