Der
Begriff der "Gebrauchspfeife" ist ebenso häufig genutzt,
wie eigentlich unsinnig. Sobald ich eine Pfeife rauche, habe ich sie
in Gebrauch. Unabhängig von Qualität und Preis wird sie also zur
"Gebrauchspfeife". Trotzdem weiß beinahe jeder, was
gemeint ist, wenn man davon spricht. Oder auch von "Brot-und
Butter-Pfeifen", oder "Einsteigerpfeifen.
Wenn
man es zu definieren versucht, sind es meist robust gefertigte
Rauchgeräte, ohne größeren Anspruch an Details, ohne
Schnickschnack. Warum also werfen wir diesen Pfeifen, die sich oft
noch gut rauchen und sich somit nichts haben zu Schulden kommen
lassen, ein eher abfällig betontes "Gebrauchspfeife"
hinterher?
Die
Leidenschaft ist schuld. Die Leidenschaft zur Pfeife, die gerade
langjährige Pfeifenraucher zu immer feineren Details, zu immer
ausgefalleneren Formen, zu immer perfekterem Grain treibt... um den
Wunsch, die Gier nach immer schöner, feiner, kostbarer zu erfüllen.
Ein Fehler? Ein Vorwurf? Nein, keinesfalls... Leidenschaften sind so.
Es
besteht nur schnell die Gefahr, dass wirklich Essenzielle aus den
Augen zu verlieren. Sich nicht mehr mit den "einfachen"
Dingen beschäftigen zu wollen, die das "Werkzeug „Pfeife"
beherrschen muss, um für den Tabakgenuss (die eigentliche Aufgabe)
gerüstet zu sein. So meint der "alte Hase" es gar nicht
böse, wenn er die oben genannten Begriffe verwendet. Für ihn ist es
eher Einstufung... doch, weniger erfahrene Raucher und Einsteiger
fühlen sich von der scheinbaren Abwertung schnell mal verunsichert.
Betrachten
wir doch einmal vier recht populäre Vertreter der Gattung
"Gebrauchspfeife" nüchtern und sachlich, und klären, ob
sie wirklich nur fürs harte Tagwerk taugen oder auch für den
entspannten, erfreulichen Genuss.
Butz
Choquin "Big Bowl"
Ursprünglich
als "Verwertungsprogramm" für etwa vor 20 - 25 Jahren
produzierte Köpfe gedacht. Seinerzeit kamen die „BBs“
ungefiltert auf den Markt und waren nicht wirklich der Renner. Also
"strickte" man sie vor ein paar Jahren auf Filter um und
brachte sie erneut auf den Markt. Gut abgelagertes Holz und recht
originelle Formen (wie die abgebildete "Teekanne") sprechen
für die immer noch in Restbeständen erhältlichen Pfeifen.
Allerdings wurde das "Verwertungsprogramm" sehr wörtlich
genommen. Gegen einzelne Kittstellen ist beim Preis von € 39,90,-
nichts zu sagen, zumal sie den Rauchgenuss nicht betreffen.
Teilweise
sind aber "Kittmonster" unterwegs, die man lieber dem Ofen
anvertraut hätte.
Die
Bohrungen sitzen gut, die Hölzer und Mundstücke sind solide und von
guter Passform.
Die
Pfeifen rauchen sich sehr angenehm und die wertige Verarbeitung flößt
Vertrauen ein.
Sicher
ein guter Kauf.
Aldo
Morelli "Tirolese"
Die
von Denicotea vertiebenen Aldo Morelli-Serien sind immer für eine
Überraschung gut. Die
"Tirolese"-Reihe hat durch ihre ungewöhnlich schlanken
Formen mit "altmodischen" Zitaten, wie zum Beispiel dem
stilisierten "Knoten" im Mundstück auf sich aufmerksam
gemacht.Besonders originell sind die gebürsteten Varianten, mit
glattem Kopfrand. Na ja, die Mundstücke haben nicht gerade einen
flachen Biss und sind besonders fein gearbeitet, aber, die Bürstung
ist auch nicht schlechter, als z.B. mittlerweile von Stanwell
gewohnt. Originelle
Form, gute Rauchbarkeit und ansehnliche Verarbeitung lassen den Preis
von € 41,- durchaus akzeptabel erscheinen.
JIRSA
"Bulldog"
Klassischer
geht es eigentlich kaum. Was hier in glatter Version für € 54,-
geboten wird, hat schon Stil. Einem Entwurf von Holger Frickert aus
den 90ern folgend, dürfte diese Pfeife zu den stimmigsten Bulldogs
am bezahlbaren Markt gehören. Ja, gerade beim Mundstück erreicht
sie sicher nicht die Feinheit einer Radice, das Grain hat eher
"Strassenköter-Niveau" und das von Jirsa verwendete
Mundstückmaterial mag ein wenig gewöhnungsbedürftig sein. Doch,
sie raucht sich fein, erfreut Auge und Hand, und ist solide
gefertigt... mehr kann man eigentlich nicht wollen.
Wessex
"Black Rustic"
Die
"ein Kerl wie ein Baum"-Pfeife. Eher für größere Hände
gedacht, satt-griffige Rustizierung, solides Mundstück. Die
Bohrungen passen, der Biss ist sogar richtig fein. Idealer
"Mundwinkel-Hänger", der auch mal einen Knuff verträgt.
Diese Pfeife kommt mit zum Camping (da man mit ihr zur Not auch
Häringe einschlagen könnte!). Nachteile der mit € 52 ,- fair
bepreisten Pfeife sind ein sehr weicher Filterzapfen (der aber jetzt
schon klaglos zwei Jahre hält) und etwas nachlässige Beizung bei
einzelnen Exemplaren. Doch, die Wessex aus dem Hause Denicotea
schafft schon beim Anfassen Vertrauen und raucht sich richtig gut.
Es
gibt sicher noch zahllose Beispiele von guten"Gebrauchspfeifen".
Ich habe hier mal ein paar Exemplare gezeigt, die ich beurteilen
kann, weil ich sie schon lange rauche. Die mir durch ihre
Unkompliziertheit und gute Rauchbarkeit ans Herz gewachsen sind. Ich
nenne sie lieber "Kumpelpfeifen"- das trifft es besser.
Zumal ich sie jedem Kumpel empfehlen würde, der einfach nur gute
Rauchgeräte sucht und den die Leidenschaft vielleicht noch nicht SO
sehr im Griff hat, wie viele von uns. Da nehme ich mich nicht aus!
Ihr
Ralligruftie
Autor:
Ralf Dings